Medizin-Geschichten

Die Heilpflanze des Monats Juli 2016
Kurioses, Bizarres, Interessantes

Folge 51: Lavendel (Lavandula)

Lilablaue Felder, soweit das Auge reicht, und darüber liegt ein einmaliger Duft in der Luft: Jetzt im Sommer blüht der Lavendel auf den Bergen der Provence. Vor allem in der Hochprovence gibt es riesige Lavendelfelder. Blüten und Blätter von Millionen von Pflanzen verströmen hier den typischen Lavendelduft.



Lavendelblüte. Die Pflanze blüht zwischen Mitte Mai und Mitte September. Das ätherische Öl wird aus den Blüten gewonnen. Die Ernte beginnt meist schon Anfang August. Eine Reise zu den Lavendelfeldern der Provence sollte man deshalb im Juli planen. Foto: Armstrong

Das Wort Lavendel geht auf das Lateinische „lavare“ (waschen) zurück. Denn Römer und Griechen gaben Lavendel gerne ihrem Badewasser zu. Nicht, weil die Pflanze etwas zur Reinigung beitragen könnte. Es ging nur um den intensiven Duft.

Für Römer, Griechen und Ägypter war der Lavendel ein nahezu heiliges Kraut. Römische Militärärzte führten Lavendel mit zur Wundheilung und als Stimulans. Nachdem die mediterrane Pflanze und ihre Heilkraft in Mittel- und Westeuropa bekannt geworden war, wurde sie auch hier hochgeschätzt und in vielen Klostergärten angebaut. Schon früh wurde die beruhigende Wirkung des Lavendels gepriesen. Aber auch gegen alle möglichen anderen Leiden sollte Lavendel helfen, etwa bei Lungen- und Leberkrankheiten, Herz- und Verdauungsbeschwerden, Lähmungen, Zahnschmerzen oder Sprachproblemen. Schwangeren, die schwere Wehen hatten, wurden Lavendelzweige auf den Bauch gelegt.

Der duftende Lavendel war also so etwas wie ein Allheilmittel. Kein Wunder also, dass er einer der Hauptbestandteile des „Vierräuberessigs“ war. Die Geschichte des Vierräuberessigs wird so erzählt: 1720 wütete die Pest in Südfrankreich. Vier Diebe zogen durch Marseille und raubten die Sterbenden aus. Dabei schützten sie sich durch eine von ihnen selbst zusammengebraute Tinktur vor Ansteckung. Das scheint auch funktioniert zu haben. Jedenfalls bot ihnen das Gericht Straffreiheit an, wenn sie die Zusammensetzung dieser schützenden Duft-Mischung verrieten. Das taten die vier auch. Und so wurde das Geheimnis der Tinktur bekannt: Der nach den vier Plünderern benannte Vierräuberessig (oder auch Pestessig) war ein Kräuterauszug auf Essigbasis. Zu den Kräutern gehörten unter anderen vor allem die Weinraute und eben der Lavendel.

Es gibt mehr als 30 Lavendelarten. Das wertvollste Lavendelöl enthält der Echte Lavendel (Lavandula angustifolia). Er wächst vor allem auf Höhenlagen von 600 bis 1500 Metern. Das Öl ist seit Jahrhunderten bekannt für seine Heilkraft und wird auch heute noch in der Phytotherapie eingesetzt. Aber auch die Parfumindustrie setzt auf den Echten Lavendel und hier besonders auf die Sorte „Super Bleue“. Sie wird vor allem am heiligen Berg der Provence, dem Mont Ventoux, angebaut, der auch Tour-de-France-Fans ein Begriff ist. Das ätherische Öl von „Super Bleue“ ist die Basis von einigen der teuersten Parfums. Es hat wie ein guter Wein ein AOC-Gütesiegel („Appelation d’Origine Contrôlée“).

Doch die Lavendelprodukteure der Provence haben inzwischen ein großes Problem: Die Pflanzen des Echten Lavendels sterben zunehmend ab. Eigentlich ist Lavendel wegen des hohen Anteils an ätherischen Ölen und des intensiven Dufts vor Schädlingen wie Blattläusen und Spinnmilben geschützt. Man kann Lavendel sogar als natürliches Mittel gegen solche Pflanzenschädlinge einsetzen. Doch seit Ende der 80er Jahre werden die Lavendelpflanzen von einem Phytoplasma-Bakterium befallen, das von winzigen, nur zwei Millimeter großen Zikaden, „Cicadellen“ genannt, auf die Pflanzen übertragen werden. Die Larven der Cicadellen verbringen den Winter unter der Erde und ernähren sich von den Wurzeln des Lavendels. Trägt die Pflanze das Bakterium in sich, infiziert sie ihrerseits das Insekt. Ein Teufelskreis, der die Lavendelanbauer um ihre Existenz fürchten lässt.

Zunächst wurde versucht, auf den Lavandin oder Hybrid-Lavendel (Lavandula x intermedia) auszuweichen, der weniger anfällig zu sein schien. Lavandin ist eine minderwertige Lavendelart. Das Öl wird vor allem zur Parfümierung von Massenprodukten wie Seifen und Waschmitteln eingesetzt. Doch inzwischen ist auch der Lavandin von der Krankheit befallen.

Wir können nur hoffen, dass ein Mittel gefunden wird. Es geht ums Überleben für die französischen Lavendelprodukteure. Und was wäre die Provence ohne ihren Lavendel? Der provenzalische Schriftsteller Jean Giono (1895 bis 1970) hat es so formuliert: Der Lavendel ist die „Seele der Haute Provence“.

Quellen:

Marianne Beuchert: „Symbolik der Pflanzen“, Hazel Evans: „The Herb Basket“ sowie verschiedene Internetseiten, etwa www.kraeuter-buch.de
Ursula Armstrong | Redaktion | Sperberweg 2 | D-82152 Krailling | Telefon: +49 (0) 163 / 313 21 10 | e-mail: mail@uschi-armstrong.de | www.redaktion-armstrong.de

Alle Heilpflanzen des Monats

Lavendelfeld in der Provence. Durch den Befall mit einem Phytoplasma-Bakterium ist die französische Lavendel-Produktion stark eingebrochen. Teilweise wurden 50 Prozent der Anbauflächen verloren.  Das hat auch dazu geführt, dass die Preise für das ätherische Öl stark gestiegen sind.
Foto: Armstrong